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Orkan Kyrill deckte Häuser ab und entwurzelte Bäume

Landkreis Traunstein. Der Orkan Kyrill richtete in der Nacht von Donnerstag auf Freitag (18.1. /19.1.) auch im Chiemgau und im Rupertiwinkel Schäden in Millionenhöhe an. Er deckte Dächer ab, riss Bauzäune um, fegte Dachziegel von hunderten Häusern, entwurzelte unzählige Bäume und knickte Verkehrszeichen.
Die Feuerwehren im Landkreis Traunstein mussten zu mehr als 450 Einsätzen ausrücken, um die Sturmschäden zu beheben, umgestürzte Bäume von Fahrbahnen zu räumen und Dächer zu sichern. In 12 Stunden, zwischen Donnerstag, 20 Uhr und Freitag, 8 Uhr, gingen bei den Polizeidienststellen im Schutzbereich (Landkreise Traunstein, Berchtesgadener Land, Altötting und Mühldorf) sowie bei der Einsatzzentrale der Polizeidirektion Traunstein mehr als 600 Notrufe ein. Mehrere Personen zogen sich aufgrund des Sturmes teilweise schwere Verletzungen zu. Der schwerste Unfall ereignete sich in Tittmoning, wo ein 40-jähriger Mann bei Ausbesserungsarbeiten vom Dach seines Hauses rund sechs Meter in die Tiefe stürzte. Mit schweren Verletzungen wurde er ins Klinikum Traunstein gebracht. Drei Verletzte forderte ein Unfall, als bei Kirchanschöring ein Pkw einen umgestürzten Baum rammte und ein weiterer Wagen auffuhr. In Reit im Winkl zog sich eine 82-jährige Frau mittelschwere Kopfverletzungen, als sie versuchte ihre Blumenkästen in Sicherheit zu bringen.

Aufgrund der vielen Notrufe wurde zur Entlastung der Polizei-Einsatzzentrale die Nachalarmierungsstelle in der Feuerwache der Freiwilligen Feuerwehr Traunstein besetzt. Diese alarmierte in der Sturmnacht die Feuerwehren im Landkreis Traunstein und koordinierte die Einsätze der Floriansjünger. Insgesamt führte die Nachalarmierungsstelle mehr als 250 Alarmierungen durch.
Die meisten „Sturmeinsätze“ waren von den Feuerwehren der Stadt Traunreut zu leisten. Die Floriansjünger der Kernstadt fuhren 54 Einsätze, die Kameraden aus Stein wurden zu 17 Einsätzen gerufen, die Traunwalchener Wehr wurde neun Mal alarmiert und die Wehr in Matzing rückte zu drei Einsätzen aus.
Die ganze Nacht über waren rund 40 Feuerwehrler in der Kernstadt im Einsatz. Hauptaufgabe war dabei das Beseitigen umgestürzter Bäume. Gegen halb drei Uhr entspannte sich die Lage ein wenig, so dass 1. Kommandant Ingo Klepke und seine Truppe ein wenig Aufatmen konnten, bevor sie sich kurz vor 6 Uhr erneut an die Arbeit machten, um Verkehrswege wieder frei zu machen. Am südlichen Stadtrand fielen in einer Wohnsiedlung zwei Bäume auf das Dach eines Neubaues. Ein Bauzaun verhinderte größeren Schaden. Die Feuerwehrmänner waren am Freitagvormittag mit Motorsäge und Seilwinde im Einsatz, um die Bäume vom Dach des Hauses zu beseitigen.  

Die Feuerwehr Traunstein hatte es mit 35 Einsätzen zur Behebung der Orkanfolgen zu tun.   Im Stadtgebiet wurden Verkehrsschilder aus ihren Halterungen gerissen und Bauzäune flogen um. Auch Gebäudeschäden waren zu verzeichnen. Vom Gebäude der Telekom riss es Teile des Blechdaches ab. Die Feuerwehr entfernte lockere Fassaden- und Dachteile, um jegliche Gefahr für Menschen ausschließen zu können. Einige Bäume waren umgefallen und versperrten Zufahrtswege und Straßen. Selbst das Feuerwehrgerätehaus in Traunstein blieb vom Sturm nicht verschont. Zwei Lichtkuppeln auf dem Dach zerbrachen. Weil auch Starkregen drohte, wurden die „Dachlöcher“ von Männern der Absturzsicherungstruppe abgedeckt und gesichert. Auch den ganzen Freitag über wurden umgefallene beseitigt und  andere Sturmschäden behoben.

In Trostberg wurde die Feuerwehr 17 Mal angefordert um Sturmschäden zu beheben. „Wir waren gut vorbereitet und es ist relativ glimpflich abgegangen, wobei es schon eine enorm einsatzreiche Nacht war,“ so die Bilanz von 1. Kommandant Hans Strecker. Abgedeckte Dächer und umgestürzte Bäume waren die häufigsten Einsatzursachen für die Trostberger Feuerwehrler. Ab 15.30 Uhr waren zehn Mann auf Bereitschaft im Feuerwehrhaus. „Am Abend ist es dann losgegangen und immer mehr geworden.“ Insgesamt waren 35 Mann im Einsatz.   

Die Surberger Floriansjünger arbeiteten 15 Hilfeersuchen ab. 30 Mal ausrücken musste die Feuerwehr Obing, weniger arbeitsreich war die Sturmnacht für die Grabenstätter Wehr, die sechs Einsätze zu erledigen hatte. In den Wäldern wird es noch einige Zeit dauern, bis die Waldbauern alle geknickten Bäume aufgearbeitet haben.

Während sich der Sturm im nördlichen Landkreis Traunstein schon am Donnerstag gegen 15 Uhr mit starken Windböen ankündigte und zwischen 18 und 19 Uhr zum Orkan anschwoll, herrschte weiter südlich bis in den Abend hinein gespenstische Ruhe. Kein Zweiglein regte sich an den Bäumen; die Luft heizte sich auf bis zu 18 Grad auf. Erst gegen 20 Uhr kündigte sich der Sturm auch in Traunstein und Umgebung durch starke Windstöße an. Es dauerte aber vielerorts noch bis nach 21.30 Uhr, ehe der Orkan über das Zentrum des Chiemgaus hereinbrach. Schon die ersten Böen entwurzelten Bäume bzw. knickten sie ab. Die Sturmfront traf den Chiemgau und den Rupertiwinkel mit voller Wucht: Eine Straße nach der anderen wurde wegen umgestürzter Bäume unpassierbar; der Verkehr auf den Straßen kam im Laufe der Nacht total zum Erliegen; der Zugverkehr war schon zuvor eingestellt worden.

Zum größten Teil waren umgestürzte Bäume der Anlass für die Notrufe. Hunderte Bäume blockierten oder gefährdeten Straßen, von der kleinen Gemeindeverbindungsstraße bis hin zur Autobahn. Die A 8 musste zwischen den Anschlussstellen Neukirchen und Siegsdorf in beiden Fahrtrichtungen für fünf Stunden total gesperrt werden, weil im Voglinger Wald zahlreiche Bäume auf die Fahrbahn gestürzt waren. Auch mögliche Umfahrungsstrecken waren gesperrt. Für die Autofahrer gab es zwischen 1.30 Uhr und 6.30 Uhr kein Weiterkommen mehr. In Fahrtrichtung München bildete sich ein drei Kilometer langer Stau; in Fahrtrichtung Salzburg stauten sich die Fahrzeuge auf rund zehn Kilometer. Die Wartenden wurden von Helfern des Roten Kreuzes und des Malteser Hilfsdienstes mit heißem Tee, Lebensmitteln und Decken versorgt. Schnelleinsatzgruppen (SEG) des BRK aus Siegsdorf, Inzell, Traunstein, Grassau und Teisendorf sowie der Malteser aus Traunstein kümmerten sich um die „Gestrandeten,“ versorgten aber auch die Einsatzkräfte der Feuerwehr und des Technischen Hilfswerkes (THW) mit warmen Getränken.    
Das THW half Autofahrern, denen der Treibstoff auszugehen drohte. Bei der Autobahnmeisterin in Siegsdorf wurde eine Einsatzleitung eingerichtet. Die Unterstützungsgruppe Örtliche Einsatzleitung (UG-ÖEL) wurde dorthin alarmiert.  
Die Autobahn Rastanlage Hochfelln-Süd war gesperrt, weil sich immer wieder Teile des Daches lösten und zu Boden fielen.

Viele vom Wind durch die Luft gewirbelte Gegenstände (Platten, Schilder, Abdeckungen, Gartenhäuschen usw.) richteten Sachschaden an. In Grassau machte sich gegen Mitternacht das komplette Dach eines Mehrfamilienhauses selbstständig. Eine gewaltige Sturmböe hob das Dach in die Luft, wo es einen Baumwipfel „abrasierte“ und danach auf einem benachbarten Ferienhaus landete. Dieses wurde weitgehend zerstört. Das Ferienhaus ist derzeit nicht bewohnt, so dass niemand verletzt wurde. Viel Glück hatten die Nachbarn des zerstörten Ferienhauses. Ein Teil des Daches flog über das von ihnen bewohnte Haus hinweg und landete mit einem lauten Knall im Garten, auf  einer Stelle wo üblicherweise Autos geparkt werden. Die Grassauer Feuerwehr versuchte anschließend, das Holzhammer-Anwesen mit einer Folie abzudichten, was aber wegen der, auch am Freitag immer wieder aufkommenden Sturmböen sehr schwierig war. Gute Dienste bei den Arbeiten leistete das neue Hubrettungsgerät der Feuerwehr Grassau. Zeitweise musste die Arbeiten jedoch abgebrochen werden, weil die Feuerwehrmänner selbst in Gefahr gerieten. Ansonsten gab es im Gemeindegebiet von Grassau nur kleinere Schäden. Vielerorts wurden Ziegel von den Dächern gerissen. Auch musste die Feuerwehr, die bereits seit Mitternacht im Einsatz ist, immer wieder umgestürzte Bäume von Straßen entfernen.
Im hinteren Achental sind die Sturmschäden zum Glück geringer als befürchtet. Nach Auskunft von Marquartsteins Bürgermeister Andreas Dögerl seien nur einige Bäume entwurzelt oder abgeknickt, auch einige Hausdächer beschädigt worden. Auch Unterwössens Bürgermeister Hans Haslreiter sprach von glimpflichen Folgen des Sturmes. In seiner Gemeinde wurden zwar ein Stadel umgedrückt und in Oberwössen zwei Hausdächer abgedeckt. Dabei seien aber zum Glück keine Personen zu Schaden gekommen. In Oberwössen wütete der Sturm in den Wäldern und hinterließ auch hier eine Spur der Verwüstung. Noch einmal glimpflich davongekommen ist auch das Gemeindegebiet Schleching. Die Bundesstraße zwischen Raiten und Mettenham beim »Kalten Brunn« war wegen umgestürzter Bäume kurzzeitig nicht passierbar; es ist aber niemand zu Schaden gekommen. Die Freiwillige Feuerwehr Schleching beseitigte zwischen 2 und 4 Uhr die Bäume. Beim Niedermoorgürtel um das Hochmoor der Mettenhamer Filze – hielten viele Fichten mit ihren bis zu acht Meter breiten Baumscheiben auf moorigem Untergrund dem Sturm nicht stand. Schon morsche Bäume brachen ebenfalls ab. Auf der Zufahrt zum Parkplatz der Geigelsteinbahn versperrten ebenfalls umgestürzte Bäume den Weg. Sogar die Meterscheite der aufgeschichteten Holzzeilen flogen bis auf die Straße. In Schleching wurde eine Holzterrasse oberhalb des Alpbaches von zwei umstürzenden Weiden zerstört. Außerdem hing ein Kamin schief auf dem Dach. Eine Straßensperre nach Kössen ist für die Schlechinger nichts Besonderes. Meist ist Schnee oder Eis die Ursache. Diesmal ist auf der Kössener Seite eine Mure abgegangen.

Auf der Staatsstraße 2091 bei Tacherting drückte der Sturm einen Lastzug von der Fahrbahn in den Graben. Der Lkw musste mit schwerem Gerät geborgen werden, der Fahrer blieb unverletzt. In der Gemeinde Schnaitsee mussten mehrere Straßen gesperrt werden, weil Dutzende gewaltiger Bäume über der Fahrbahn lagen. Aus Chieming wurden keine größeren Schäden bekannt, die Feuerwehren Chieming, Hart und Ising mussten jedoch mehrmals ausrücken, um umgefallene Bäume und Äste von Straßen zu entfernen. In Otting wurden Kirchendach, Nebengebäude und Friedhof in Mitleidenschaft gezogen.  

Vielerorts ließen die Feuerwehrler ihre Motorsägen gar nicht erst an, denn es wäre viel zu gefährlich gewesen die umgeknickten Bäume zu zerschneiden und von Straßen zu räumen, während der Sturm unvermindert wütete. Teilweise fegten Orkanböen mit Windgeschwindigkeiten von weit mehr als 150 km/h durch die Wälder. Aus Sicherheitsgründen entschieden die Feuerwehren deshalb in Absprache mit Polizei und Straßenmeistereien die Sperrung von blockierten Straßen. Erst nach deutlichem Abflauen gingen die Wehren vielerorts an die Aufräumungsarbeiten und das Freimachen der Straßen.
Manche Straßen werden wohl noch einige Tage gesperrt bleiben müssen, da es einige Zeit in Anspruch nehmen wird, bis alle Blockaden durch umgestürzte Bäume beseitigt sind.   

Lob gab es von vielen Feuerwehrkommandanten, weil die Unwetterwarnungen größtenteils beachtet wurden und viele Leute zuhause geblieben sind. Das habe wesentlich dazu beigetragen, dass in unserer Region kaum Menschen verletzt wurden. Auch sei zu beobachten gewesen, dass die Menschen versucht haben, sich zu wappnen und alles wegzuräumen bzw. zu sichern, was weggerissen hätte werden können. „Sachschäden, so schlimm sie für manche Betroffene sein mögen, lassen sich wieder reparieren,“ so eine der Feuerwehrchefs.
Einige Unbelehrbare und Unvernünftige gibt es jedoch immer. So hat zum Beispiel eine Frau die Totalsperrung der Bundesstraße 304 zwischen Matzing und Traunstein missachtet. Auf dem schon mehrere Stunden zuvor gesperrten Streckenabschnitt stieß sie mit ihrem Fahrzeug gegen einen über die Straße liegenden Baum. Die Feuerwehr Nußdorf musste ausrücken, um das Fahrzeug zu bergen. Die unvernünftige Fahrerin blieb unverletzt.

Der Sturm Wiebke richtete 1990 deutlich mehr Schäden an, als Kyrill. Für die Feuerwehren und Rettungsorganisationen im Landkreis Traunstein war es jedoch einer der größten Sturmeinsätze der letzten Jahrzehnte. Bei den 450 Feuerwehr-Einsätzen im Landkreis Traunstein waren mehr als 900 Feuerwehrler im Einsatz, viele davon mehr als 12 Stunden, von den ersten Einsätze am frühen Donnerstagabend bis weit in den Freitag hinein, wo die Schäden bei Tageslicht und nach Abflauen des Sturmes relativ sicher „abgearbeitet“ wurden.
Übrigens: In ganz Bayern leisteten die Feuerwehren mehr als 20.000 Einsätze.

Text: Peter Volk (Quellen: Traunsteiner Tagblatt / Trostberger Tagblatt / Traunreuter Anzeiger / Presseinformation Polizeidirektion Traunstein und Einsatzberichte der Feuerwehren im Lkr. Traunstein)

Quelle Bericht: Kreisfeuerwehrverband Traunstein